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Schulversuch HEP - Altenhohenau bleibt vorsichtig

Fachschule für Heilerziehungspflege - Altenhohenau, Griesstätt/Inn, 30.03.2024

Achtung, dieser Artikel ist meinungsbetont und stellt nur eine Sichtweise auf den Schulversuch dar.


Im Herbst 2023 stellte das Kultusministerium einigen Vertreter:innen von Fachschulen und Einrichtungen erste Ideen zu einem Schulversuch vor. Die Verantwortlichen im Ministerium zeigten sich offenkundig bemüht, durch einen auf fünf Jahre angelegten Schulversuch Möglichkeiten zu eröffnen, bessere Zugangs- und aktuellere Ausbildungsvoraussetzungen für die HEP-Ausbildung zu schaffen. Konkretisierungen gab es dann aus dem Ministerium erst Mitte Februar. 


Vereinfacht gesagt gilt dabei Folgendes: Jede Fachschule, die sich bis 2029 dem Schulversuch anschließt, hat die Möglichkeit, dass der Zugang zur Ausbildung "beschleunigt" wird: Wer bislang 2 Jahre soziale Vorerfahrung nachweisen musste, ist mit einem Jahr zugangsberechtigt, wer bislang ein Jahr belegen musste (z.B. Abiturient:innen), ist mit einem Praktikum von 200 Stunden (also ca. 5-6 Wochen) dabei.

Weiterhin sind als Voraussetzung für einen Beginn der Ausbildung möglich: Bereits abgeschlossene HEP-Helfer-Ausbildung oder vier Jahre Führung eines Mehrpersonenhaushalts (also "Familienmamas"/"Familienpapas").


Wer direkt von der Realschule kommt, absolviert ein heilerziehungspflegerisches Einführungsjahr (HEJ), das "halb-halb" an der Fachschule und in einer Einrichtung durchlaufen wird. Dabei sollen in der Fachschule schon erste inhaltliche Themen der HEP-Ausbildung angesprochen werden, so dass dann der Einstieg in die (weiterhin) dreijährige Ausbildung erleichtert wird. Soweit, so gut.


Zugleich sind im Rahmen des Schulversuchs die Schüler:innen ausdrücklich Auszubildende in ihren Einrichtungen. Das verändert in zahlreichen Einrichtungen den Status der HEP-Schüler:innen in Blick auf Arbeitszeit, Stellenschlüssel, Lohn, etc. Momentan besteht Klärungsbedarf, ob die Auszubildenden in den Einrichtungen auch mehr als die im Schulversuch vorgesehenen 15 Stunden/Woche arbeiten dürfen und wie dies ggf. organisiert werden könnte (Zusatzverträge auf gfB-Basis?). Das große dahinterstehende Anliegen des Kultusministeriums: Es soll unter allen Umständen vermieden werden, dass HEP-Schüler:innen zusammen mit ihrer Schulausbildung auf Werte um die 50-60 Wochenstunden kommen, wie es dem Ministerium bekannt geworden war. Zusammengefasst heißt das: "Lernende sollen Lernende bleiben können."

Die Grundidee erscheint mir persönlich gut, an den Möglichkeiten der Umsetzung hapert es aber. Warum?


Da ist zum Einen der große Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel - auch im HEP-Bereich. Die HEPs - auch viele in Ausbildung - sind wichtige Stützen des Arbeitsalltags, manchmal (ob gewollt/ungewollt) auch "allein auf der Gruppe". Das ist nicht toll, aber der Mangel an Mitarbeiter:innen führt dazu. 

Zum Anderen ist die Struktur des HEP-Schulversuchs aus meiner Sicht nicht eindeutig passend für die HEP-Ausbildung. Der Schulversuch ist "abgeschaut" von der Neustrukturierung der Erzieher:innen-Ausbildung. Dort wurde vor ein paar Jahren ein SEJ (sozialpädagogisches Einführungsjahr) eingeführt und die Ausbildung insgesamt verkürzt. Die Fachakademien konnten/können wie im Schulversuch die HEP-Fachschulen nun auswählen, ob eine "gegliederte Form" oder eine "praxisintegrierte Form" bevorzugt wird. Bei den Fachakademien ist eine Präferenz für die "gegliederten Form" zu beobachten: In diesem Ausbildungsmodus sind die FAKS-Student:innen zwei Jahre hauptsächlich in der "Schule" (FAKS) und jeweils 1 Tag/Woche im Praktikum in der Einrichtung. Im 3. Ausbildungsjahr sind die FAKS-Student:innen dann überwiegend in der Ausbildungsstätte und nur wenige Tage an der "Schule".

Im HEP-Bereich wird an vielen Fachschulen voraussichtlich die praxisintegrierte Form bevorzugt werden. Auch die FS HEP Altenhohenau wird diese dreijährige Form weiterbehalten wollen, in der in jedem Ausbildungsjahr ein Anteil an rund 20 Theoriestunden an der Schule pro Woche absolviert wird und dann die praktische Ausbildung eben an den übrigen Tagen der Woche geleistet wird.


Die Problematik, die ich sehe, ist, dass die Schülerschaft der HEP von den Ursprüngen der HEP-Ausbildung bis heute weit heterogener ist als die der Erzieher:innen-Ausbildung. Plakativ gesagt: Der/die "typische Erzieher:in" beginnt seine/ihre Ausbildung mit ca. 17 Jahren nach der Realschule, ist oft noch in die Versorgungsinfrastruktur der eigenen Ursprungsfamilie integriert und kann mit der i.d.R. tariflich bestimmten Ausbildungsvergütung soweit gut leben. 

Den/die "typische:n HEP-Schüler:in" gibt es so nicht, die Zahl der Quereinsteiger:innen, die bereits einen Vorberuf erlernten und ggf. auch im Vorberuf über Jahre hinweg arbeiteten, ist beträchtlich. Oft haben HEP-Schüler:innen bereits eine eigene Familie und tragen durch ihre Arbeit wesentlich zum Familieneinkommen bei! 

Der vom Kultusministerium mehrfach eingebrachte Hinweis auf Zuschüsse durch die Agentur für Arbeit ist in der Sache richtig. Es sei die Frage erlaubt: Wer macht sich, wenn er/sie bereits in Lohn und Brot in einem anderen Beruf steht, auf den Weg in eine Ausbildung, in der neben einem geringeren Ausbildungsgehalt zusätzlich Anträge "beim Amt" zu stellen sind?

Ich möchte die Fördermöglichkeiten der Agentur für Arbeit nicht schlecht reden, kenne und schätze die Strukturen der Bundesagentur auch durch eine frühere berufliche Tätigkeit und doch: Eine Fördermöglichkeit ist in jedem Einzelfall einer eingehenden und ggf. zeitintensiven Prüfung zu unterziehen. Es bleibt die Frage: Wer hat so viel Liebe zum Arbeitsfeld der HEP, sich auf diese finanziellen Wagnisse einzulassen?


Bei der Erzieher:innen-Ausbildung hat man besonders an die "typische Zielgruppe" gedacht, als man die Ausbildung verkürzte und modifizierte. Bei einer 1:1-Übertragung der Modifikationen auf den Bereich HEP läuft man Gefahr, eine wichtige Zielgruppe von möglichen HEP-Schüler:innen "abzuhängen", eben die Quereinsteiger:innen! Im Schulversuch zeigt sich ein verstärkter Fokus auf die Schulabgänger:innen. Beispielhaft sei dies nochmal veranschaulicht: Ein:e Abiturient:in beginnt mit 5-6 Wochen Praktikum (z.B. nach Abiturabschluss, sprich in den Sommermonaten) im September des gleichen Jahres die HEP-Ausbildung!

Hier wird es auf jeden Fall Not tun, die Werbung für HEP zu verstärken - in allen Schularten. 

Für viele junge Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung ist HEP aktuell keine echte Alternative. Der Hang zum Studium und die Aussicht auf eventuell bessere Verdienstmöglichkeiten lockt... Hier ist es eine gute Sache, dass es bereits die Möglichkeit gibt, neben der HEP-Ausbildung einen Bachelor zu erwerben (vgl. B.A. Management von Inklusion und Teilhabe): Ein interessantes Angebot an der TH Deggendorf. Allerdings fehlen noch in den Einrichtungen die adäquat bezahlten Stellen für "HEP-Studien-Abgänger:innen"...

Wo wird sich der/die HEP der Zukunft wiederfinden? Hoffentlich und wünschenswerterweise auch weiterhin in den diversen Einrichtungen und Bereichen, in denen HEPs schon jetzt tätig sind!

Zudem bleibt abzuwarten, ob die "junge Generation" diese "Dreifach-Belastung" angehen wird: schulische Ausbildung - Arbeit in der Einrichtung - Studium. Befragungen der "Generation Z" weisen eher darauf hin, dass die viel beschworene "Work-Life-Balance" so eingefordert wird, dass zugunsten von Freizeit sogar auf monetär fassbaren Verdienst verzichtet wird... Teilzeit-Arbeit wird bevorzugt - auch nach Ausbildungsende. Nur in  Einzelfällen wird jemand die HEP-Ausbildung und ein passendes Studium parallel führen. Alles in allem: Es wird spannend bleiben.


Wo positioniert sich in all dem die FS HEP Altenhohenau?


Mehrere Gespräche und Austauschrunden intern und extern zeigen ein vielfältiges Bild: Einerseits will sich niemand Neuerungen verschließen, vor allem, wenn dadurch mehr Schüler:innen gewonnen werden können. Andererseits ist auch klar: Die FS HEP Altenhohenau wird nur Wege beschreiten, auf denen auch die kooperiertenden Einrichtungen mitgehen. Dies ist unter den aktuellen Umständen vielfach nicht (oder: noch nicht) der Fall.

So hat sich die FS HEP Altenhohenau dazu entschieden, für das kommende Schuljahr 2024/25 ein HEJ (Einführungsjahr) anzubieten, die dreijährige Ausbildung aber noch nicht auf die Strukturen des Schulversuchs "umzustellen". Das nächste Schuljahr wird hoffentlich noch strukturelle und organisatorische Klärungen bringen, die dann einen vertieften Einstieg in den Schulversuch zum Schuljahr 2025/26 oder folgende sinnvoller erscheinen lassen.

Überhaupt wird von Seiten des Kultusministeriums zu prüfen sein, ob eine allgemein verbindliche Umstellung auf die nun vorgeschlagenen modifizierten Ausbildungwege ab 2029 stimmig und "hep-tauglich" sind. Bis 2029 vergeht noch einiges an Zeit. Zeit, die von allen genutzt werden muss, um HEP bekannter und als echte Alternative (zu anderen sozialen Ausbildungen oder eben Studiengängen) aufscheinen zu lassen.

Der Schulversuch in seiner aktuellen Form ist bislang leider wenig dazu angetan, HEP "beliebter" zu machen, wie ich meine. Aber vielleicht irre ich mich. Auf jeden Fall muss eine zukunftsfähige Form der Ausbildung gefunden werden, denn bei allem Reden um Auszubildende, ausbildende Betriebe, (Fach-)Schulen, Ministerien, ... gilt es diejenigen im Blick zu behalten, denen das Ziel der Ausbildung letztlich dient: den Menschen mit Behinderung, den vielen Klient:innen und Betreuten, die tagtäglich HEPs begegnen, im besten Fall HEPs, die gut ausgebildet sind und "Hirn, Herz und Hand" einsetzen.


Ein Kommentar von Robert Paulus





von Fachschule für Heilerziehungspflege - Altenhohenau

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